Der Versandhandel will klimaneutral werden. Zalando kompensiert bereits seit Herbst 2019 alle Kohlendioxid-Emissionen aus dem eigenen Geschäft und sämtlicher Lieferungen und Retouren. Im Februar kündigte die Otto Group an, ihre Anstrengungen zum Umweltschutz zu verstärken und in zehn Jahren kein Klimagas mehr auszustoßen. Und der weltweit größte Versandhändler Amazon will bis 2040 in allen Geschäftsbereichen CO2-neutral sein.
Im Dezember 2019 erläuterte Kara Hurst, Head of Worldwide Sustainability bei Amazon, in einem Video, was es mit Amazons Klimaschutzversprechen „Climate Pledge“ auf sich hat und welche Rolle in diesem Zusammenhang die Themen Verpackung und Retouren spielen. „Für uns macht es Sinn, Lösungen anzubieten, die Produkte unbeschädigt und schnell zum Kunden bringen – aber eben in kleinstmöglicher Verpackung“, so Hurst. „Damit waren wir bereits sehr erfolgreich.“ Nach Hursts Angaben hat Amazon seit 2015 etwa 25 Prozent Verpackungsmaterial eingespart.
Experten der Verpackungsreduzierung
„Die Vermeidung unnützer Verpackungen ist richtig und wichtig, um Umweltbelastungen zu reduzieren“, sagt Dr. Oliver Wolfrum, Geschäftsführer des Verbandes der Wellpappen-Industrie (VDW). „In der Verpackungsreduzierung sind Wellpappenhersteller Experten. Denn unsere Mitgliedsunternehmen finden tagtäglich im Sinne ihrer Kunden intelligente Verpackungslösungen, die auch dabei helfen, Verpackungsmaterial einzusparen.“
Sparen um jeden Preis ist jedoch nicht ratsam. Wolfrum weist darauf hin, dass die transportierten Produkte wirkungsvoll vor Beschädigungen geschützt werden müssen – und zwar mit geeigneten Verpackungen. „Denn der Verlust von Lebensmitteln, elektronischen Geräten oder Modeartikeln kostet die Konsumgüterhersteller viel Geld und wiegt in der ökologischen Betrachtung schwerer als die Verpackung. Nichts ist weniger nachhaltig, als Waren zu entsorgen, zu reparieren oder erneut zu transportieren, weil sie in beschädigtem Zustand nicht verkauft werden können“, so der VDW-Geschäftsführer.
Ein Viertel des Volumens ist Luft
Trotz der Anstrengungen der Versandhändler ist das Sparpotenzial noch riesig. Einer Studie des Marktforschungsinstituts Forbes Insights zufolge birgt das Innere von E-Commerce-Verpackungen im Durchschnitt ein Viertel Luft: Bei Kleidung und Schuhen sind es 18 Prozent, bei Lebensmitteln die Hälfte und bei Glaswaren sogar zwei Drittel. Verstärkt wird der umweltbelastende Effekt des ineffizienten Transports durch die kostenlosen Retouren, die im Fashion-Bereich oft fast jede dritte Lieferung betrifft. Zwar registrieren die Studienautoren bei einigen Online-Händlern den Einsatz einer größeren Verpackungsvielfalt, aber die meisten setzen noch immer auf wenige Standardgrößen, deren Dimensionen selten zum Packgut passen und die dann mit Polstermaterialien gefüllt werden – im schlechtesten Fall aus Kunststoff wie EPS.
„Neben ihrer Umweltverträglichkeit zeichnet sich Wellpappe vor allem durch ihre Vielseitigkeit und Variabilität aus“, so Wolfrum. „Für jede Verpackungsaufgabe gibt es eine passende Lösung aus diesem Material.“ Aus gutem Grund setzen die allermeisten Online-Händler auf stabile Versandverpackungen aus Wellpappe in unterschiedlichen Größenvarianten. Ein optimales Größenverhältnis der Verpackungen in Relation zu den versendeten Artikeln sorgt sowohl für den erforderlichen Produktschutz und damit für eine Senkung der Retourenquote, als auch für ein schönes Auspackerlebnis des Empfängers ohne überflüssige Füllmaterialien – ein wichtiger Beitrag zum positiven Unternehmensimage.
Problem erkannt
Forbes-Insights zufolge ist die Frage der Überverpackung vielfach noch nicht in den Köpfen der Verantwortlichen angekommen. Demnach halten nur 39 Prozent der weltweit befragten Logistik- und Verpackungsmanager das Leerraum-Problem für dringlich. „Das deckt sich nicht mit unseren Erkenntnissen“, sagt Branchenvertreter Wolfrum. Denn der VDW hat zur gleichen Zeit wie Forbes Insight (2018) eine repräsentative Umfrage unter 100 in Deutschland tätigen Online-Shops durchführen lassen. „Demzufolge planen drei von vier Händlern, die Optimierung ihrer Verpackungsgrößen voranzutreiben, um den Wünschen ihrer Kunden entgegen zu kommen“, so Wolfrum. „Denn Online-Shopper, wenigstens in Deutschland, erwarten nun einmal aus ökologischen Gründen, dass die Versandhändler aus ihren Paketen die Luft rauslassen.“