Zwischenruf von Dr. Oliver Wolfrum, VDW-Geschäftsführer
Endlich: Nach Wochen des aus guten Gründen auferlegten Stillstands kommt das Geschäftsleben wieder in Gang. Außer den Lebensmittelmärkten, die uns während des Lockdowns mit dem Notwendigsten versorgten, laden längst auch wieder die Kaufhäuser, Shopping Malls und großen Einkaufsstraßen der Republik zum Einkauf ein. Business as usual, also? Nicht ganz.
So nutzen viele Verbraucher inzwischen vermehrt Online-Angebote – selbst diejenigen, die bisher diesem Vertriebsweg eher skeptisch gegenüberstanden. Und auch Lebensmittel werden öfter per Mausklick geordert. Außerdem hat die durch die COVID-19-Pandemie erzwungene Konsumpause viele Verbraucher offenbar nachdenklich gemacht und möglicherweise zu einem verantwortungsbewussteren Verhalten angeregt. Das jedenfalls legt das Ergebnis einer aktuellen Umfrage nahe, die das Beratungsunternehmen Accenture unter Verbrauchern in 15 Ländern durchgeführt hat. Demnach treffen knapp die Hälfte der Befragten beim Einkaufen nachhaltigere Entscheidungen und wollen dies wahrscheinlich auch in Zukunft tun.
Zu wünschen wäre, dass sich die durch die Krise geänderte Verbraucherhaltung nicht nur auf den Konsum auswirkt, sondern auch auf den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgedankens. Konsumgüterhersteller, Handelsunternehmen und Politik haben die Weichen dafür gestellt, dass Verpackungen nach Gebrauch als Rohstoff für die Herstellung neuer Verpackungen oder anderer Produkte wieder zur Verfügung stehen und nicht verbrannt werden oder – in schlimmsten Fall – in der Umwelt landen. Insbesondere Verpackungen aus Papier, Karton und Wellpappe führen seit langem vor, wie effizientes Recycling funktioniert – als Stoffkreislauf, der den einmal gewonnenen Rohstoff der Papierfaser bis zu 25 Mal verwendet, bevor er zur Energieerzeugung genutzt wird.
Der typische „Pappkarton“, wie er beispielsweise mit der nächsten Onlinebestellung bei uns zuhause landet, kann aber nur dann auf effiziente Weise für das Recycling genutzt werden, wenn er nach dem Auspacken platzsparend flach gemacht in der Altpapiertonne landet. Leicht zu verstehen und umzusetzen, sollte man meinen. Allerdings klagen viele Kommunen und Entsorgungsbetriebe über Fehlwürfe, also falsch sortierte Verpackungsmaterialien und häufig auch darüber, dass zu viele aufgerichtete Kartons zu überfüllten Tonnen und unnötigen Transporten führen. Die deutschen Wellpappenhersteller haben sich deshalb vor zwei Jahren entschlossen, mit der Kampagne „Mach’s flach!“ auf humorvolle Weise zum korrekten Umgang mit gebrauchten Versandkartons zu werben.
In das Muster vom verbesserungswürdigen Recyclingverhalten passt auch die Erkenntnis einer Studie des Entsorgungsunternehmens SUEZ, die im März veröffentlicht wurde. Danach bekennt sich ein Drittel der Deutschen dazu, Abfälle nicht korrekt zu trennen. Als Gründe nennen die Befragten Bequemlichkeit oder die Vermutung, dass „sowieso alles zusammen verbrannt“ wird. Mit dem „Recyclingweltmeister Deutschland“ scheint es also nicht weit her zu sein, jedenfalls wenn man die vor Corona erhobenen Daten zugrunde legt. Bleibt abzuwarten, ob das Innehalten in der Krise auch den bewussteren Umgang mit gebrauchten Verpackungen und das bessere Trennen befördert hat. Es wäre ein wichtiger Schritt zu mehr Nachhaltigkeit.